Thorsten Cöhring

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Außer Rand und Kant
Zwei Koryphäen im fiktiven Plausch

Veröffentlicht am 23. September 202517. Oktober 2025 von Thorsten Cöhring

Ein philosophisches Streitgespräch zwischen zwei Welten

Schauplatz: Ein zeitloses Café zwischen den Welten. Zwei der eigenwilligsten Köpfe der Philosophiegeschichte treffen aufeinander. Während Immanuel Kant pünktlich um 15:00 Uhr erscheint (wie könnte es anders sein), lässt Ayn Rand demonstrativ fünf Minuten auf sich warten – schließlich bestimmt sie selbst über ihre Zeit.

Ayn Rand und Immanuel Kant im fiktiven Streitgespräch
Ayn Rand und Immanuel Kant im fiktiven Streitgespräch.

Kant: nimmt seine Brille ab und blickt missbilligend auf die Uhr Verehrte Frau Rand, Pünktlichkeit ist eine Tugend, die…

Rand: fällt ihm ins Wort, während sie sich eine Zigarette anzündet Tugend? Herr Kant, lassen Sie uns doch gleich zur Sache kommen. Ihre ganze Moralphilosophie basiert auf der absurden Idee, dass Menschen sich selbst opfern sollen. Das ist nicht nur falsch – es ist geradezu obszön!

Kant: rührt bedächtig in seinem Tee Meine liebe Dame, Sie missverstehen den kategorischen Imperativ völlig. Es geht nicht um Selbstopferung, sondern darum, nach Prinzipien zu handeln, die universell gültig sein können. „Handle nur nach derjenigen Maxime…“

Rand: unterbricht ihn erneut Ach, ersparen Sie mir Ihre Maximen! Universell gültig – für wen? Für das Kollektiv? Das Individuum ist der Standard des Wertes, nicht irgendeine abstrakte Menschheit! Wenn ich rational handle, wenn ich meinen Verstand gebrauche und mein Eigeninteresse verfolge, dann ist das die höchste Moral.

Kant: seufzt leise Aber genau das ist ja das Problem. Wenn jeder nur sein Eigeninteresse verfolgt, ohne Rücksicht auf andere, dann haben wir keine Moral, sondern Anarchie. Die Vernunft gebietet uns, andere als Zweck an sich selbst zu betrachten, nicht als bloße Mittel.

Rand: lacht scharf Anarchie? Herr Kant, Sie verwechseln rationales Eigeninteresse mit primitivem Hedonismus. Ein rationaler Egoist erkennt, dass langfristige Kooperation und faire Geschäfte in seinem Interesse liegen. Ich brauche keine mystische Pflicht, um ehrlich zu handeln – es liegt in meinem eigenen Interesse!

Kant: schüttelt den Kopf Aber was, wenn es einmal nicht in Ihrem Interesse liegt? Was, wenn Lügen oder Betrügen kurzfristig vorteilhafter wäre? Meine Ethik gibt eine klare Antwort: Es ist kategorisch falsch, unabhängig von den Konsequenzen.

Rand: beugt sich vor Kategorisch? Das ist das Problem mit Ihrer ganzen Philosophie – sie schwebt in einem luftleeren Raum! Die Realität ist der Standard der Wahrheit, nicht irgendwelche a priori Kategorien. Und in der Realität führt rationales Denken zu rationalen Werten.

Kant: wird etwas steifer A priori Kategorien sind die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt! Ohne sie hätten wir nur ein Chaos sinnlicher Eindrücke. Die reine Vernunft strukturiert unsere Erfahrung…

Rand: winkt ab Strukturiert unsere Erfahrung? Herr Kant, Sie haben die Realität von unserem Bewusstsein abgetrennt! Ihr „Ding an sich“ ist ein Widerspruch in sich. Entweder etwas existiert und ist erkennbar, oder es existiert nicht. Es gibt keine mystische Realität hinter der Realität.

Kant: nimmt einen nachdenklichen Schluck Tee Aber ohne diese Unterscheidung können wir doch nicht erklären, warum unsere Erkenntnis Grenzen hat. Das Ding an sich ist eine notwendige Grenze unseres Verstandes…

Rand: steht abrupt auf und geht am Tisch auf und ab Grenzen? Die einzige Grenze ist unser Unwille zu denken! Der Mensch ist ein Wesen der Vernunft – das ist seine Natur, seine Tugend und sein Stolz. Ihr „Ding an sich“ ist nur eine Ausrede für intellektuelle Feigheit.

Kant: bleibt ruhig sitzen Und Ihr grenzenloser Rationalismus führt zu Hybris. Der Mensch ist ein endliches Wesen. Diese Endlichkeit anzuerkennen ist keine Schwäche, sondern Weisheit.

Rand: bleibt stehen, die Hände auf die Hüften gestützt Endlichkeit, ja – aber nicht Impotenz! Schauen Sie sich um: Wolkenkratzer, Flugzeuge, Computer – alles Produkte des menschlichen Verstandes. Ihr Pflichtgefühl hat keinen einzigen davon hervorgebracht. Das war rationales Eigeninteresse!

Kant: lächelt mild Und wer hat die moralischen Prinzipien entwickelt, die das Zusammenleben in der Gesellschaft ermöglichen, die solche Errungenschaften hervorbringt? Technik ohne Moral ist barbarisch.

Rand: setzt sich wieder, aber angespannt Moral? Ihre Moral der Selbstverleugnung hat Jahrtausende des Stillstands und der Unterdrückung produziert! Erst als Menschen begannen, für sich selbst zu leben und zu denken, begann der Fortschritt.

Kant: wird nachdenklich Aber sagen Sie mir: Was ist mit denen, die nicht die gleichen Fähigkeiten haben? Die Schwachen, die Kranken? Hat Ihre Gesellschaft der rationalen Egoisten einen Platz für sie?

Rand: zögert einen Moment Wohltätigkeit ist eine Tugend – aber eine freiwillige! Zwangswohltätigkeit durch den Staat ist Diebstahl. Menschen zu helfen, weil man es will, ist edel. Es zu tun, weil man muss, ist Sklaverei.

Kant: nickt langsam Da sind wir uns vielleicht näher, als Sie denken. Auch ich glaube, dass moralisches Handeln frei sein muss. Aber die Motivation macht den Unterschied. Aus Pflicht zu handeln, selbst wenn es schwerfällt, das macht die Handlung moralisch wertvoll.

Rand: starrt ihn an Aus Pflicht? Das ist pervers! Das Wertvollste im Menschen – sein Verstand, sein Wille, seine Freude – das alles soll er opfern für eine abstrakte Pflicht?

Kant: hebt die Hand Nicht opfern – kultivieren! Die Pflicht kultiviert unsere höhere Natur gegen unsere niederen Instinkte.

Rand: schüttelt vehement den Kopf Es gibt keine „höhere“ und „niedere“ Natur! Es gibt nur: rational oder irrational, bewusst oder unbewusst, lebensbejahend oder lebensverneinend.

Eine längere Pause entsteht. Beide nehmen einen Schluck – Kant von seinem Tee, Rand von ihrem schwarzen Kaffee.

Kant: durchbricht schließlich die Stille Wissen Sie, Frau Rand, trotz all unserer Differenzen teilen wir einen Glauben an die Vernunft…

Rand: überrascht Das stimmt. Aber Sie haben die Vernunft in ein Korsett aus Pflichten gesteckt, während ich sie befreit habe.

Kant: schmunzelt leicht Oder Sie haben sie entfesselt, ohne ihr einen moralischen Kompass zu geben, während ich ihr eine Richtung gewiesen habe.

Rand: steht auf, drückt die Zigarette aus Herr Kant, Ihr Kompass zeigt immer zu anderen – meiner zeigt zu mir. Und das ist der Unterschied zwischen einem Leben in Knechtschaft und einem Leben in Freiheit.

Kant: erhebt sich ebenfalls Und meine liebe Dame, Ihr Kompass kann nur so lange zu Ihnen zeigen, wie Sie nicht vergessen, dass andere ebenfalls ein Selbst haben, das es zu respektieren gilt.

Beide gehen zur Tür. Im Hinausgehen murmelt Rand:

Rand: Immerhin sind Sie pünktlich…

Kant: lächelt Und Sie sind konsequent in Ihrer Inkonsequenz der Pünktlichkeit gegenüber.

Die Tür schließt sich. Die Debatte geht weiter – irgendwo zwischen den Zeilen der Geschichte, in jedem Menschen, der sich fragt: Soll ich leben, um zu geben, oder geben, um zu leben?

Der Autor dieses imaginären Gesprächs hofft, dass beide Philosophen ihm verzeihen, sie so sprechen zu lassen, wie sie vielleicht gesprochen hätten – wenn sie sich denn je begegnet wären und wenn Kant weniger förmlich und Rand weniger scharf gewesen wäre. Aber vielleicht ist das der Punkt: In der Philosophie geht es nicht um die Personen, sondern um die Ideen – und die kämpfen noch immer miteinander, in jedem von uns.

 

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