Thorsten Cöhring

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Altruismus versus Egoismus
Warum echter Altruismus eine Illusion ist

Veröffentlicht am 29. September 202517. Oktober 2025 von Thorsten Cöhring

Stellen Sie sich vor, Sie helfen einer alten Dame über die Straße. Ein selbstloser Akt der Nächstenliebe? Mitnichten. Was wir gemeinhin als Altruismus bezeichnen, ist bei genauerer Betrachtung nichts weiter als eine besonders raffinierte Form des Egoismus. Diese These mag zunächst zynisch klingen, doch sie basiert auf einer nüchternen Analyse menschlichen Verhaltens, die von Evolutionsbiologen, Philosophen und Ökonomen gleichermaßen gestützt wird. Die Vorstellung von echter Selbstlosigkeit ist eine romantische Illusion und deshalb sollten wir uns endlich von diesem Märchen verabschieden.

Die Selbsttäuschung des guten Menschen

Der Mensch liebt es, sich selbst als moralisch überlegen zu betrachten. Wir spenden für wohltätige Zwecke, engagieren uns ehrenamtlich und helfen unseren Mitmenschen – scheinbar ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Doch bereits der Philosoph Friedrich Nietzsche erkannte in seinem Werk „Menschliches, Allzumenschliches„, dass hinter jedem scheinbar selbstlosen Akt ein verborgenes Eigeninteresse steckt. Wir täuschen uns selbst, wenn wir glauben, aus reiner Güte zu handeln.

Die psychologische Forschung hat längst nachgewiesen, dass altruistisches Verhalten mit der Ausschüttung von Glückshormonen wie Dopamin und Oxytocin einhergeht. Wenn wir anderen helfen, fühlen wir uns gut – ein Phänomen, das als „Helper’s High“ bekannt ist. Langstreckenläufer kennen es als „Runner’s High“. Diese neurochemische Belohnung ist kein Zufall, sondern ein evolutionär entwickelter Mechanismus, der uns dazu motiviert, sozial kooperatives Verhalten zu zeigen. Wir sind buchstäblich süchtig nach dem guten Gefühl, das entsteht, wenn wir anderen helfen.

Die Selbsttäuschung geht noch tiefer: Viele Menschen engagieren sich sozial, um ihr eigenes Selbstbild zu verbessern oder gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen. Der Wirtschaftswissenschaftler Steven Levitt hat in seinem Bestseller „Freakonomics“ aufgezeigt, wie vermeintlich altruistische Handlungen oft durch versteckte Anreize motiviert sind. Ob es die Steuererleichterungen für Spenden sind oder der soziale Status, der mit philanthropischem Engagement einhergeht – wir handeln stets im Eigeninteresse, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.

Warum wir niemals wirklich selbstlos handeln

Die Unmöglichkeit des wahren Altruismus liegt in der Natur des menschlichen Bewusstseins begründet. Jede Handlung, die wir bewusst ausführen, entspringt einem Willen, einem Bedürfnis oder einem Verlangen. Selbst wenn wir uns für andere opfern, tun wir dies, weil wir es wollen – und sei es nur, um kognitive Dissonanz zu vermeiden oder unserem Selbstbild gerecht zu werden. Der Philosoph Thomas Hobbes argumentierte bereits im 17. Jahrhundert in seinem Werk „Leviathan„, dass alle menschlichen Handlungen letztendlich auf Selbsterhaltung und Eigennutz zurückzuführen sind.

Die moderne Spieltheorie untermauert diese Sichtweise mit mathematischer Präzision. Robert Axelrod zeigte in seinen Studien zur Evolution der Kooperation, dass scheinbar altruistisches Verhalten in Wirklichkeit eine rationale Strategie zur Maximierung des eigenen Nutzens darstellt. Das berühmte „Gefangenendilemma“ illustriert, wie Kooperation nicht aus Güte, sondern aus kalkuliertem Eigeninteresse entsteht. Wir helfen anderen, weil wir erwarten, dass sie uns in Zukunft ebenfalls helfen werden, ein Prinzip, das als reziproker Altruismus bekannt ist.

Selbst in extremen Situationen, beispielsweise wenn jemand sein Leben für andere riskiert, lässt sich ein egoistisches Motiv identifizieren. Der Held, der sich in Gefahr begibt, um andere zu retten, handelt möglicherweise aus einem tief verwurzelten Bedürfnis heraus, seinen eigenen moralischen Standards gerecht zu werden. Die Alternative, nicht zu helfen, würde zu unerträglichen Schuldgefühlen führen. Somit ist selbst die scheinbar selbstloseste Tat letztendlich eine Form der psychologischen Selbsterhaltung.

Der evolutionäre Egoismus hinter jeder guten Tat

Aus evolutionsbiologischer Perspektive ist die Illusion des Altruismus leicht zu erklären. Richard Dawkins zeigt in „Das egoistische Gen“ auf, dass unsere Gene darauf programmiert sind, ihr eigenes Überleben zu sichern. Was wir als altruistisches Verhalten wahrnehmen, ist in Wirklichkeit eine Strategie zur Förderung unserer genetischen Fitness. Wenn wir unseren Verwandten helfen, unterstützen wir indirekt die Verbreitung unserer eigenen Gene – ein Konzept, das als Verwandtenselektion bekannt ist.

Die Evolutionspsychologie hat gezeigt, dass unser Gehirn nicht für abstrakte Selbstlosigkeit, sondern für das Überleben in kleinen Gruppen optimiert wurde. In prähistorischen Zeiten war es überlebenswichtig, einen guten Ruf innerhalb der Stammesgemeinschaft zu haben. Wer als hilfsbereit und kooperativ galt, erhielt im Gegenzug Unterstützung und Schutz. Diese evolutionären Mechanismen wirken noch heute: Wir helfen anderen, um unseren sozialen Status zu erhöhen und unsere Position in der Gruppe zu sichern.

Die Wirtschaftswissenschaften haben diese biologischen Erkenntnisse in ihre Modelle integriert. Die Theorie der rationalen Entscheidung, wie sie von Gary Becker („The Economic Approach to Human Behavior„) und anderen Ökonomen der Chicago School entwickelt wurde, zeigt, dass selbst scheinbar irrationales altruistisches Verhalten einer ökonomischen Logik folgt. Wir investieren in soziale Beziehungen wie in ein Portfolio – mit der Erwartung einer zukünftigen Rendite. Diese Sichtweise mag kalt erscheinen, aber sie erklärt menschliches Verhalten weitaus präziser als romantische Vorstellungen von Selbstlosigkeit.

Die Erkenntnis, dass echter Altruismus eine Illusion ist, sollte uns nicht entmutigen oder zu Zynismus führen. Im Gegenteil: Sie befreit uns von unrealistischen moralischen Ansprüchen und ermöglicht es uns, menschliches Verhalten realistisch zu betrachten. Wenn wir akzeptieren, dass alle unsere Handlungen letztendlich unserem eigenen Interesse dienen, können wir aufhören, uns selbst und andere für vermeintlich egoistisches Verhalten zu verurteilen.

Stattdessen können wir anerkennen, dass Eigeninteresse und Gemeinwohl sich nicht ausschließen müssen – im Gegenteil, sie bedingen einander. Die unsichtbare Hand des Marktes, von der Adam Smith sprach, funktioniert auch im sozialen Bereich: Indem jeder seinem eigenen Interesse folgt, entsteht paradoxerweise oft das größte Wohl für alle. Diese Einsicht ist keine Rechtfertigung für rücksichtsloses Verhalten, sondern eine Einladung, ehrlicher mit unseren Motivationen umzugehen und Systeme zu schaffen, die individuelles Eigeninteresse mit gesellschaftlichem Nutzen in Einklang bringen.

Weiterführende Links:

  • Stanford Encyclopedia of Philosophy: „Biological Altruism“ – https://plato.stanford.edu/entries/altruism-biological/
  • The Evolution of Cooperation by Robert Axelrod – http://www-personal.umich.edu/~axe/research/Cooperation.html
  • „The Impossibility of Pure Altruism“ – Essay Collection auf PhilPapers.org
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